Review< Zurück 16.11.2009
Von Christa Binder
Nach langem Hin und Her schaffte es Donna Woolfolk Cross‘ historischer Roman Die Päpstin im Oktober 2009 nun doch in die Kinos.
Mehr als acht Jahre hatte Volker Schlöndorff an der Verfilmung der Päpstin gearbeitet, bis er 2007 von der Produktionsfirma Constantin wegen öffentlichen Lästerns gekündigt wurde. Der Grund: Schlöndorff sprach sich vehement gegen die Vermarktungsstrategien sogenannter „Amphibienfilme“ aus – Kinofilme, die in einer längeren Version auch für das Fernsehen produziert werden. Der Drehstart wurde mehrmals verschoben, auch als John Goodman seinen Part als Papst Sergius überraschend absagte; er kehrte jedoch zurück. Johanna Wokalek ersetzte schließlich Franka Potente und Sönke Wortmann übernahm die Regie.
Dieser näherte sich vorsichtig dem internationalen Bestseller, der im finsteren und dreckigen Mittelalter, im 9. Jahrhundert nach Christi, spielt.
Als Tochter des fanatischen Dorfpriesters und einer gewaltsam zum Christentum bekehrten Heidin wächst die kleine Johanna von Ingelheim (zuerst: Tigerlily Hutchinson, dann: Lotte Flack) unter ärmlichen Verhältnissen auf. Gegen den Willen des Vaters lernt sie heimlich Lesen, Schreiben und Latein und besticht durch ihre Klugheit sogar den weisen Lehrer Aesculapius (Edward Petherbridge).
Johanna reißt von zu Hause aus und geht zusammen mit ihrem Bruder Johannes in die Klosterschule zu Dorstadt, wo sie als einziges Mädchen überhaupt am Unterricht teilnehmen darf, jedoch von allen diskriminiert wird. Sie kommt beim Grafen Gerold (David Wenham) unter, mit dem sie zunächst eine innige Freundschaft, dann sogar eine große Liebe verbindet.
Als die Stadt von Normannen überfallen wird, nimmt Johanna (nun: Johanna Wokalek) die Identität ihres getöteten Bruders an und flieht ins Benediktinerkloster Fulda. Dort vertieft sie – als Mann verkleidet unter dem Namen „Bruder Johannes Anglicus“ – ihre Kenntnisse der Theologie und Medizin. Krank und aus Angst, entlarvt zu werden, ergreift sie erneut die Flucht, schließt sich einer Pilgergruppe an und landet schließlich in Rom. Johanna erlangt Berühmtheit durch ihre Heilkunde und macht als Leibarzt und Vertrauter des Papstes Sergius II. (John Goodman) Karriere. Im Vatikan trifft sie nach langer Zeit Gerold wieder, der Kaiser Lothar I. dient. Erneut entfacht ihre Liebe und Johanna ist zwischen ihrer weiblichen und männlichen Identität hin- und hergerissen.
Anastasius (Anatole Taubman), der Widersacher Sergius‘, verbündet sich mit Lothar und beide schmieden ein tödliches Komplott, das schlussendlich gelingt. Nach Sergius‘ Tod wird überraschenderweise Johanna zu dessen Nachfolger gewählt.
Sie ernennt Gerold zum Kommandanten des päpstlichen Heeres, doch ihr Amt als Pontifex Maximus ist aufgrund ihrer plötzlichen Schwangerschaft in akuter Gefahr. Bei der Osterprozession töten Verschwörer unter Anastasius‘ Führung Gerold während Johanna zusammenbricht und an den Folgen ihrer Frühgeburt stirbt.
Sönke Wortmann legt den Schwerpunkt dieses Historien-Dramas auf Kindheit und Jugend, wohingegen für die Zeit des Pontifikats Johannas nur wenig Raum bleibt. 149 Minuten plätschert die Handlung dahin, ohne wirklich fad zu werden, jedoch auch ohne merkliche Höhepunkte.
Aufgrund fehlender Dramatik und Leidenschaft will der Funke nie so ganz überspringen. Gekonnt, allerdings ebenso persönlichkeitslos, arbeitet Wortmann die Stationen aus dem Leben Johannas ab, ganz nach dem literarischen Vorbild, und formt dadurch ein zwar solides aber gleichermaßen simples Emanzipationsmärchen.
Beeindruckend ist hingegen die enorme Bildgewalt und die aufwändige Ausstattung des Filmes, der damit den an ihn gerichteten Hollywoodanspruch voll und ganz erfüllt.
Die mehr als 3000 handgenähten und handbeschmutzten Kostüme vermitteln einen glaubhaften Eindruck des Mittelalters und auch die Bauten des Dorfes, der Domschule, des Klosters sowie die römischen Gebäude lassen die Liebe zum Detail erkennen, auch wenn deutlich merkbar ist, dass Vatikanstadt offensichtlich am Computer generiert wurde.
Die schauspielerischen Leistungen sind durchwegs passabel. Leider zeigen die Charaktere keine wirkliche Tiefgründigkeit und entsprechen - ohne allzu viel Nachdruck - den gewohnten Archetypen ganz in schwarz-weiß-denkender Manier: der Vater ist böse, die Mutter unterwürfig, Johanna ist wissbegierig, Johannes uninteressiert, Papst Sergius ist anständig und Anastasius intrigant.
Gerold (David Wenham) ist derart verständnisvoll, dass es einem teilweise schwer fällt, ihm den großen Heeresführer wirklich abzunehmen.
Johanna Wokalek entspricht insofern der Rolle Johannas, da sie auf der einen Seite passend androgyn wirkt, man sich im Gegenzug dazu aber trotzdem vorstellen kann, dass Gerold sie bewundernd verehrt. Dennoch zeigt sie sich meist emotionslos und zurückgenommen und man vermisst ein wenig ausgeprägte Gemütsregungen, die man der von ihr dargestellten Ausnahmepersönlichkeit zuschreiben würde.
Auch in der von ihr nachgesprochenen Synchronisation – der Film wurde offensichtlich auf Englisch gedreht – wirkt ihre Stimme etwas monoton und kraftlos.
Einzig John Goodman sorgt in seiner Darstellung als Papst Sergius für Lacher und die gewünschte Auflockerung.
Alles in allem entspricht der Film dem Zeitgeist einer Dan Brown-Generation, indem er Spekulationen einer möglichen Historizität der Legende um Päpstin Johanna aufwirft.
Fazit: „Die Päpstin“ ist ein bildgewaltiger Ausstattungsfilm, ohne allzu großen Anspruch, unterhaltsam und abendfüllend.
Meine Wertung: |
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